> Ulf Bro ſchrieb am 26.02.2010 09:14 Uhr: > > Vor allem – und das ist das Wichtigste! – ist es eine vollkommene > > Neuschöpfung, die keinerlei Wurzel in Geschichte oder Tradition hat. > > > > Dem (auch sonst lesenswerten!) Wikipedia-Artikel¹ zum ẞ zufolge gibt es > den Vorschlag seit 1879, ›keinerlei‹ scheint mit da eine zu harte > Formulierung zu sein. > > > keinerlei Funktion hat,
Siehst du! Den Vorschlag gibt es lange, den Buchstaben aber nicht. Nochmal. Diesmal nehmen wir es in Teelöffeln. Das Es-Zett (S-Z) ist eine Ligatur, welches so viel heißt wie eine Zusammenschreibung von zwei Buchstaben, die anderenfalls getrennt gewesen wären, in diesem Fall S und Z. Diese Schreibweise kennt man aus anderen europäischen Sprachen, wo "sz" dazu benutzt wird, ein "alternatives" S anzubieten, genau wie man auf Deutsch "sch" und auf Englisch "sh" und auf Türkisch "ş" benutzt, um ein bestimmtes Phonem schriftlich zu repräsentieren. In diesem Sinne entsteht Es-Zett als "scharfes S". Die Buchstabenfolge "sſ" ist in einigen handschriftlichen Traditionen die Form, zwei auf einander folgenden S'en zu schreiben, die aber getrennt auftreten. Die Buchstabenfolge "ſs" ist in einigen handschriftlichen Traditionen und den daraus abgeleiteten typografischen Varianten die Schreibweise für "ss", also zwei s'en hinter einander, die als Einheit auftreten. In diesem Sinne entsteht Es-Zett als "Doppel-S" entsprechend der früher gültigen Schreibweise "Faß" oder "muß". So hat der Buchstabe "ß" (kleines Ess-Zett) also zwei verschiedene Ligaturen repräsentiert, nämlich "sz" als Bezeichnung für ein scharfes S (ein bisschen wie "sad" auf Arabisch), und "ss" als Bezeichnung für Doppel-S. In der letzten Rechtschreibreform hat man sozusagen bestimmt, dass "ß" nur "sz" repräsentieren soll. Demgemäß ist die Großschrift folgerichtig "WERDERSTRASZE". Eine Ligatur von "ſs" sieht aus wie "ß". Eine Ligatur von "ſz" sieht aus wie "ß". Eine Ligatur von "SZ" kann verschiedentlich aussehen, keineswegs aber wie "ẞ". Es hat eine Ligatur von "SZ" (großes S, großes Z) in der Geschichte nie gegeben. Eine Ligatur von "SS" kann verschiedene Aussehen haben, keineswegs aber wie "ẞ". Es hat eine Ligatur von "SS" (großes S, großes S) in der Geschichte nie gegeben. Wie ich schon sagte: Großes SZ hat es nie gegeben. Es gibt da keine Tradition für. Jetzt hat man aber endlich eins gemacht und jetzt darf man es benutzen. > Vielleicht nicht für Dich; aber durchaus für die vielen Personen, bei > denen das ß im Familiennamen vorkommt. > > Und es steht Dir doch sowieso vollkommen frei, das ẞ nicht zu nutzen! Was in Familiennamen vorkommt und nicht vorkommt, erlebe ich jeden Tag in meiner Arbeit in der Arztpraxis. Es gibt da 15 Mitglieder derselben Familie, die alle zum Nachnamen das Gleiche heißen: El Asrouti (suchen unter A) Al Asrouti El-Asrouti (mit Bindestrich, suchen unter E) El Osrouti El Ousrouti und so weiter. Alles Namen, die von deutschen Beamten bei der Einwanderung aus dem Arabischen beliebig transliteriert wurden. Auf die Varianten von "Schmidt, Schmitt usw." müssen wir nicht weiter eingehen. Die sind auf die gleiche Weise entstanden. Wenn also einer argumentiert, dass er Janßen heißen muss… dann… verzichte ich auf weitere Kommentare außer dass "-sen" eine dänische Endung ist, also typischerweise aus dem zweisprachigen Bundesland Schleswig stammt, wo dies tatsächlich immer "ßen" ausgesprochen wird, auch dann, wenn man "Jansen" schreibt, sodass hier zur Verdeutlichung von einem "sz" und nicht von einem "ss" auszugehen ist. Die Großschrift wäre ohne die neuartige Ligatur demnach folgerichtig JANSZEN. Da dieses aber aussieht als ob man ein sch… Pole wäre, ist die Schreibweise JANẞEN allein aus diesen Gründen durchaus zu vertreten. Womit die Notwendigkeit des neuen Buchstaben plötzlich in anderem Licht erscheint. (Der Pole hätte in diesem Falle zudem das Problem gehabt, dass er dann "Janschen" hieße, aber egal, hier gibt es ja gar keinen Polen). ==== Versuchen wir, das Ganze wieder herunter auf eine sachliche Ebene zu führen: Wir erkennen also, dass man auf Deutsch folgende s'en hat: - normales S (geschrieben S, es sei denn, diese Schreibweise würde zu einer Aussprache wie "gestimmtes S" verleiten, in diesen Fällen schreibt man "ß", normales S hat also zwei Schreibweisen) - gestimmtes S (geschrieben S, man hofft dass die Leute wissen, wann sie dieses so aussprechen müssen. Kennzeichnen kann man es nicht, gestimmtes S hat also keine eigene Schreibweise) - "sch" (geschrieben "sch", manchmal aber auch "s" wie in "Spaten". Man hofft, dass die Leute aus Hamburg und Dänemark sich irgendwann darauf einstellen, dort heißt es immer noch "ßpaten" und "ßtein", "sch" hat also zwei Schreibweisen) Es ist schwierig, eine Logik hierin zu erkennen. Ganz besonders für Leute wie mich mit "Migrationshintergrund". ==== Die große Revolution besteht also jetzt darin, dass die deutsche Sprache neuerdings mit dem Großen EsZett "bereichert" worden ist, eine neuartige Ligatur von Kleinbuchstaben in Großschrift statt einer Ligatur großer Buchstaben in Großschrift. ==== Da wir hier aber nicht die deutsche Sprache modifizieren, sondern Tastaturbelegungen erfinden, genügt es festzustellen, dass was immer der Verbraucher an unnötige Zeichen wünscht, unsere Pflicht ist es, diese bereitzustellen, und daher kann es keine Zweifel geben, dass das große EsZett jederzeit erreichbar sein muss. Shift-ß steht wohl hier nicht zur Diskussion? Ulf