> Sent: Wed, 4 Apr 2018 08:07:26 +0200 
> From: "Florian Lohoff" <f...@zz.de>
> To: "Frederik Ramm" <frede...@remote.org>
> Cc: talk-de@openstreetmap.org
> Subject: Re: [Talk-de] Flächen/Wege // Trolling in changesets
>
> > gibt nur Stress (denn jemand anders könnte mit gleichem Recht wieder
> > "ver-kleben").
> 
> Ich sehe das so ein bischen als eine fatale Entwicklung bei OSM. Es gibt
> stellen da traut sich keiner mehr dran. Die Neumapper aus Unwissenheit
> kleben noch zeugs dran und drüber. Sobald man verstanden hat was das
> alles ist geht der Durchschnittsmapper da nicht mehr dran - Sowas finde
> ich schade und ich empfinde das aufräumen als chance für neue mapper.

Vielen Dank für diesen amüsanten Beitrag, der sowohl historische Ent-
wicklungen, als auch mathematische Bezüge einmal mehr unter den Tisch
kehrt.

Das Verkleben ist alternativlos!  Die Frage ist natürlich WO man verklebt
_und_ welchen Detailgrad man anstrebt.

Wenn der Detailgrad hoch genug ist, trauen sich neue Mapper i.d.R. erstmal
nicht an ein Gebiet - da spielt es keine Rolle welche Methode angewandt
wurde.

/Weshalb/ wurde denn in der Vergangenheit verklebt?  Vielleicht weil die
technologische Entwicklung noch nicht so weit war, bzw. die technische
Ausstattung in der Breite eine andere, weniger leistungsfähige war?

Wer klebte, hat das i.d.R. aus /Effizienzgründen/ getan, denn damit
ließen sich oft mehrere parallele Linienzüge vermeiden.  Der topo-
logische Fehler, der damit in Kauf genommen wurde, war relativ klein
und bestand oft lediglich in vernachlässigten Straßengräben / -alleen
oder der Straßenbreite.

OSM war zudem anfangs als Straßenkarte ausgelegt, und schon jedesmal,
wenn es darum ging auch nur diese Straßen etwas detaillierter zu er-
fassen, beschäftigte sich jemand damit, wie man statt einer geometrischen
Lösung, eine tag-basierte verwenden könne - also, wie sich geographische
Lagedaten, die nicht näher interessieren, durch Schlagworte an den Linien-
zügen (ways) abstrahieren lassen.


Wenn ein Acker zwischen drei Straßen lag bzw. liegt und aus eben diesen
Effizienzgründen die Straßengräben vernachlässigt wurden, dann war eine
verklebte Version dieses Feldes evtl. geometrisch nicht völlig korrekt,
aber die Wiederverwendung dieser Straßen als Grenzen sowohl eine einfache,
sinnvolle und effiziente Ergänzung der Daten, um die Landnutzung der
Fläche anzuzeigen, die von diesen drei Straßen /begrenzt/ wurde.

Mit der Miniaturisierung rückte auch bei OSM das credo /less is more/
in den Hintergrund und Mapper begannen, die Details der Karte weniger
als Abstraktion und mehr als Abbild der Realität (lies: des Luft- oder
Satellitenbildes) wiederzugeben.

Wenn wir aber mehr Flächen in die DB eintragen, weil wir Detail, das
vorher durch den Mapping-Prozess wegabstrahiert wurde, wiedergeben
wollen, dann /verschieben/ und /vermehren/ wir lediglich die abge-
bildeten Flächengrenzen, die sich in der Realität oder von einem
Luftbild ableiten lassen.

Den Logos, dass eine Fläche an eine oder mehrere andere /grenzt/
lösen wir hingegen nicht auf (egal in welche Detailstufe wir gehen,
wir können immer wieder Flächen- oder auch Raumgrenzen finden bzw.
ableiten von dem was wir auf dieser Detailstufe vorfinden).

Es ist schlichtweg falsch, eine Fläche losgelöst von ihren Nachbar-
flächen zu betrachten, denn ihre Grenzen sind auch die der Nachbar-
flächen.  Oder anders gesagt, wir würden eine Fläche ohne die an-
grenzenden Nachbarn gar nicht als solche wahrnehmen können.


In OSM sind derzeit drei wesentliche Methoden beobachtbar, die ver-
suchen diesen Sachverhalt abzubilden:

1) ein Abschnitt (way) der sowohl Fläche A und B begrenzt, nimmt in der
Rolle 'outer' als Mitglied in den MP-Relationen für je A und B teil.

2) Für A und B werden zwei Wege (ways) benutzt (overlapping ways),
die sich eine Knotenfolge teilen (diese Folge wird in der Daten-
struktur für diese ways wiederholt)

3) Zwei ways mit voneinander unabhängigen Knoten bzw. -folgen werden
als Grenzen gezeichnet; die gemeinsame Flächengrenze wird durch zwei
Linien approximiert - mal ist Luft dazwischen, mal schneiden sich
Wegsegmente und die Flächen überlappen sich unabsichtlich etwas.


M.M.n. ist 1) die zu bevorzugende Variante, um Sachverhalte vor Ort
und am Boden abzubilden.  Es folgt den "best practices" im OSM Wiki.
Dort wird empfohlen, für jedes zu erfassende Objekt der Realität,
genau ein entsprechendes Objekt in der Datenbank anzulegen:

Die Flächengrenze gibt es genau einmal, also ist sie mit 1) auch nur
1x in der DB drin.  2) hat zwar noch keinen geometrischen Fehler,
aber die Rückübersetzung ist mehrdeutig:  sind zwei überlappende
Wege nun der gleiche Weg in der Realität oder nicht?  Sie könnten
schließlich auch in unterschiedlicher Höhe liegen (oder sich in
der Höhe kreuzen).

3) schließlich ist zwar oft (gern?) genutzt, aber sowohl wartungs-
technisch als auch geometrisch großer Mist, weil fehlerbehaftet.
Es entspricht quick-and-dirty Methoden, die man benutzt, wenn man
schnell fertig werden will und die Korrektheit weniger eine Rolle
spielt.


Gruß
cmuelle8


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