Am 27.05.20 um 12:13 schrieb Matthias Petermann:
Hallo Thomas,

On 27.05.20 09:25, Thomas Güttler Lists wrote:

Was wird die Zukunft aus eurer Sicht für

schöne Dinge bringen?


Ein schönes Thema bringst Du da auf den Tisch. Ich denke die Zukunft verdient und bringt eine Trendwende im Energieverbrauch (und damit der Systemanforderungen) insbesondere für Clients. Und etwas mehr Wertschätzung für nachhaltige Lösungen, welche die Souveränität ihrer Nutzer bewahren.

Zum Energieverbrauch:

...


Sehr interessantes Thema. Um effizient Optimieren zu können müsste man erstmal wissen wo wieviel

Energie verschwendet wird. Dann könnte man überlegen mit welchen Maßnahmen am meisten

Energie gespart werden kann.

Oder ist der Effizientsgedanke hier nicht so angebracht, und es geht eher "um die Gute Tat"?



In letzter Zeit ging alles Richtung Web. Dort dominiert auf Client-Seite Javascript mit seinen bekannten Eigenschaften. Selbst von den Herstellern angebotene "Standalone-Apps" sind in Wirklichkeit meist nur Web-Apps mit Electron-Umverpackung. Man gewinnt also ökologisch außer einer besseren Integration zum Host-OS nichts. Die alte Gleichung – CPU und RAM ist billiger als der „kostbare“ Entwickler geht meiner Meinung nach schon lange nicht mehr auf und vernachlässigt den Fakt, dass zumindest die laufenden CPU-Kosten direkt an den Energieverbrauch gekoppelt sind. Niemand sollte mehr so tun, als stünden Ressourcen unbegrenzt zur Verfügung. Die Strompreise steigen steigen steiler als die Stundensätze der Offshore-Entwickler, und nur der Wegwerfmentalität der meisten Benutzer ist es zu „verdanken“, dass dieses Problem kaum wahrgenommen wird.

Zur Bewertung eines Clients würde ich deshalb auch die erwartete Häufigkeit und Dauer der Nutzung in die Gleichung einbringen. Beispiele: (a) ein System zum Bestellen bei einem Menüservice darf gern eine Web-App sein. Die Nutzung erfolgt pro Client höchstens einmal täglich. Dafür lohnt sich kein nativer Client und die Vorteile der zentralen Bereitstellung überwiegen. (b) eine Kommunikationsanwendung (vgl. Microsoft Teams) sollte keine Web-App sein. Die Nutzung erfolgt aktiv mehrmals täglich für mehrere Stunden, und passiv im Prinzip den ganzen Tag (die App muss offen bleiben, damit man angerufen werden kann). Der Overhead, der durch die verwendete Technologie entsteht, ist enorm. Hier sollte alternativ ein nativer Client zur Verfügung stehen, der vorhandene Client-Ressourcen effizient nutzt. Schade, dass der Blaue Engel[1] bisher nur auf den Rechenzentrumsbetrieb abzielt und die gefühlt mindestens genauso große Komponente – die vielen Millionen Smartphone- und Laptop-Akkus, die täglich geladen werden – außer Acht lässt.


Ich persönlich finde es super, dass ich bei einem Web-basiertem Office einfach den Browser schließen kann, und dann

eine halbe Stunde (wenn ich zB unterwegs bin), das Dokument mit meinem Smartphone öffnen kann, und schnell noch

einen Gedanken hinzufüge.

Ich finde es auch super, dass ich nicht mehr strg-s  zum Speichern drücken muss. Noch besser ist, das ich kein Backup

machen muss.

Die Bequemlichkeit ist magisch.

Wieviel Strom könnte durch Verwendung eines offline-Office anstatt eines online-Office gespart werden?



Zur Souveränität:

Beim Thema Souveränität tangiert mich nicht der Fakt, dass die Daten außerhalb der eigenen physikalischen Reichweite liegen, sondern eher der Umstand, dass im Bereich der SaaS-Provider in teilweise großem Umfang Vendor-Locks hingenommen werden müssen. Als geschäftsschädigend könnte man das übertrieben betrachtet im Bereich Office-Anwendungen (Textverarbeitung, Spreadsheet, Dokumentenmanagement, Projektmanagement) bezeichnen; als katastrophal in den Bereichen Kommunikation (E-Mail, Instant Messaging, Videotelefonie) und Automatisierung (Smart Home).

Ich persönlich freue mich deshalb zukünftig in loser Folge auf:

* Einen kritischen Umgang mit Web-Apps und einen Konsens darüber, wann diese Sinn ergeben und wann nicht (Häufigkeit und Dauer der Nutzung * Anzahl der Nutzer?)

* Eine Wiederbelebung der Ideen von vergessenen Cross Platform-Technologien zur Umsetzung von nativen, energieeffizienten Client-Anwendung (z.B. Lazarus – kennt das noch jemand?)

* Energieersparnisse durch Vereinfachung der Server-Architekturen – etwa durch Abbau von organisatorisch motivierten technischen Abstraktionsebenen

* Mehr Nutzung von modernen, effizienten compilierten Sprachen auf Serverseite (z.B. Golang, produziert effiziente Standalone-Binaries und hat das Potential, in vielen Fällen die Notwendigkeit von Containern in Frage zu stellen...)

* Eine große Vielfalt an verfügbarer energiesparender Hardware zur Umsetzung von Edge Computing-Projekten (ARM & Co.?)

* Eine genauso große Vielfalt an noch energiesparender Hardware zur Umsetzung von intelligenten Sensoren und Steuerungen (NodeMCU & Co?)

* Ein Upgrade von geschäftskritischen, geschlossenen SaaS-Cloud-Plattformen mit Vendor-Lock, hin zu interoperablen Edge-Plattformen mit offenen Protokollen und Standards

* Ganz allgemein: ein gesund wachsendes Ökosystem aus „true“ OpenSource-Komponenten als Basis für eigene Projekte (NetBSD, PostgreSQL, Golang, Python, Lua…)

* ReactOS als vollwertiger Windows-Ersatz ;-)

Viele Grüße
Matthias


Da stimme ich dir voll zu. Und für den Punkt Souveränität gibt es aus meiner Sicht

auch gute Nachrichten: Nextcloud. Obwohl das aktuell sich eher

in Richtung online-Office entwickelt (was ich gut finde).


Danke für deine Idee!

 Gruß,

   Thomas


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Thomas Guettler http://www.thomas-guettler.de/
I am looking for feedback: https://github.com/guettli/programming-guidelines


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