Hallo Kristian,

Am 02.06.2020 um 07:54 schrieb Kristian Rink:
Diese Frage treibt mich auch schon seit längerem um. Dann schaue ich mir an, was etwa konkret Google im Blick auf Energie-Effizienz und "Green IT" tun, und was ich (mit KMU-Brille) dort realistisch umsetzen kann. Auch im Blick auf Datenhoheit, digitale Autonomie und Selfhosting: Gibt es belastbare Studien zur Frage, wie Energie-Effizienz in diesem oder jenem Szenario aussieht? Ist ein System mit einigen wenigen Anbietern, die optimiert große Infrastruktur betreiben, wirtschaftlicher als eines mit sehr vielen kleinen?

Vermutlich funktioniert die "Optimierung" noch am besten bei Anbietern, die feingranulare Services anbieten (vgl. Amazon Lambda), welche die Infrastruktur dazu komplett unter eigener Kontrolle haben und damit gewisse Zeit nicht abgerufene Ressourcen tatsächlich herunterskalieren. Natürlich auch für die MS/Office365 Welt und Mitbewerber, die dem Tenant keine dedizierten Ressourcen garantieren müssen.

Anders sieht es aus, wenn Unternehmen ihre Bestands-IT ohne grundlegende Architekturänderung in die "Cloud" migrieren, d.h. der VMWare-Host nur vom lokalen Serverschrank in einen Cage im Rechenzentrum wandert. Hier sind meist vertraglich Ressourcen zugesichert - ob die dann auch tatsächlich abgerufen werden oder nicht, ist dann ein anderes Thema. Ich denke in diesem Bereich wird nach wie vor unter dem Label "Cloud" viel Energie verbrannt.

Das ist aber nur mein Gedanke und Beobachtung aus dem letzten Projekt dazu, mit echten Zahlen die Du berechtigterweise gern sehen würdest, kann ich leider nicht aufwarten. Interesse habe ich daran auch, ebenso ob meine Einschätzung in etwa zutrifft oder völlig daneben liegt.

Simples Beispiel: Wenn ich die Bilder von der Smartphone-Kamera einfach auf den Linux-Laptop bekommen will (der 10cm daneben steht), dann führen nahezu alle "Standardwege" vom Smartphone über irgendein Fernverkehrsnetz zu irgendeinem Server und von dort zurück zum Laptop. Warum muss das so sein? Manchmal glaube ich, bei allen guten Ideen, die es in den letzten Jahr(zehnt)en gab, ist an vielen Stellen hier unsere Fantasie auf Client/Server-Lösungen beschränkt. Warum haben wir noch nicht so etwas wie "syncthing-in-gut/-schnell", das die 10cm zwischen
> den beiden Geräten im Beispiel überbrücken kann ohne Server? Warum kann
> ich nicht selbiges für Office-Dokumente, Musik, ... tun - Geräte
> nebeneinanderlegen und mit zwei Taps oder Knopfdrücken lokal *schnell*
> synchronisieren? Als Nerd bekomme ich das mit etwas Frickelei hin, aber
> das funktioniert weder bequem noch schnell. Als End-User schaffe ich das
> vermutlich nicht. Was könnte man hier an Energie sparen für
> Netzwerk-Traffic, der mit besserer Implementation, mehr echter
> Dezentralität, mehr P2P vermeidbar wäre?

Danke dass Du Syncthing erwähnst. Konzeptionell finde ich das richtig gut. Funktionell ist es zuweilen mit entsprechender Vorkonfiguration und Einweisung meiner Erfahrung nach auch für Endanwender schon ganz brauchbar. Ein Standalone-Binary, sinnvolle Defaults... meine Eltern gleichen darüber im LAN ihren Bilderordner auf zwei verschiedenen Laptops ab. Gestartet wird es per Desktop-Verknüpfung bei Bedarf. Dadurch konnte ich dort die Einrichtung und Betrieb eines Fileservers bzw. Cloud-Dienstes sparen. Die Einrichtung des auf einem Windows-System naheliegenden OneDrive (oder respektive Nextcloud / Seafile / ...) ist für Endanwender ohne IT-Hintergrund ebenfalls nicht immer intuitiv. Ich teile allerdings deine Grundkritik an Syncthing: schnell ist es nicht gerade und gefühlt sehr ressourcenhungrig. Auf Linux bzw. BSD-Systemen werden schnell die ulimits (maxfiles) zum Problem. Das ist für Anfänger schon die erste Hürde. Zusätzlich steht das Web-UI als primäre Konfigurationsoberfläche dem Endanwender eher im Wege und passt für mich nicht so recht ins Konzept einer Desktop-orientierten Infrastrukturkomponente. Klar, das ist der Tribut an die Plattformunabhängigkeit und die Tatsache, dass sich für Golang noch kein de-facto-Standard native GUI-Toolkit herausgebildet hat, dass auf allen Plattformen gleichermaßen einfach übersetzt werden kann. Die meisten Projekte, die sich der nativen Desktop-Integration von Syncthing widmen, setzen nicht auf Golang sondern auf .NET und Python.

Die Verbesserungsvorschläge zur Usability gehen allerdings in die richtige Richtung[1], leider nicht plattformübergreifend...

Viele Grüße
Matthias


[1] https://github.com/canton7/SyncTrayzor/issues/77

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