Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
teufeleinsauch, auf strangemaps gleich noch eine karte ad thema 'sprachen', noch viel schöner, aus dem jahre 1730, behauptet der strangemaps-blogger: http://strangemaps.files.wordpress.com/2008/01/hensel_1741.jpg
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Oliver Cosmus schrieb: mm schrieb: Trotzdem: Die Arbitrarität ist ja nicht einfach eine willkürliche Entscheidung die ein Sprecher über die Bedeutung eines Ausdrucks fällt, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke ist m. E. immer noch ein sozialer Prozess. Soll heissen, erst wenn mindestens ein anderer Sprecher den Ausdruck ebenfalls in seiner neuen Bedeutung benutzt, beginnt der Ausdruck umdefiniert zu werden (blödes Beispiel aus meiner Teenagerzeit: Eine Zeit lang haben meine Freunde und ich (warum auch immer) Autos als Bogen bezeichnet, das war aber irgendwann wieder vorbei). Genau dieser Beobachtung, nämlich Worte in ihrer Zeichenbedeutung nicht willkürlich austauschen zu können, wollte F. de Saussure auf den Grund gehen. Nicht nur, wurde ihm klar, ist es praktisch unmöglich, durch Beschluss Sprachzeichen im Gesamtgebrauch zu verändern (Bogen/Auto), es ist auch überhaupt noch niemals auf diese Weise ein Zeichen eingeführt worden! (Will sagen: n i e m a n d hat das Wort Brot als Wortzeichen für das bestimmt, was mir mit Brot meinen, und das gilt für alle Worte, die keine termini technici sind.) Im Deutschen gab es mal das Vorhaben, das fehlende Wort für die Sättigung in bezug auf das Trinken einzuführen: Wer genug getruken hat, sei fortan sitt. Trotzdem sagt es keiner, warum wohl nicht? Die oben vorgeschlagene Lösung, dass Veränderungen in der Sprache über soziale Prozesse geschehen, hielt Saussure deshalb für falsch. (Was mit Blick auf die Diktaturen des 20. Jhd.s vielleicht etwas voreilig war, aber die hat er nicht mehr erleben dürfen.) Saussure entdeckte vielmehr, dass es keine e i n z e l n e n Zeichen gibt. Etwas überspitzt gesagt, heißt das Auto Auto und nicht Bogen, weil nämlich der Schmetterling Schmetterling heißt, und nicht Gafolasiduger. Das ist die berühmte Strukur der Sprache (zu der natürlich auch die Grammatik usw. gehört), und ich glaube man kann zeigen, dass auch eine gesamt-geeinte Sprechergemeinschaft keine willentliche Veränderung einer bestimmten Sprachregel durchsetzen kann, wenn dies der Struktur von Sprache zu sehr zuwiderläuft. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Natürlich wird nicht BESCHLOSSEN (bitte trenn dich mal von dem Begriff (Mehrheits-)Beschluss) wie jetzt was heisst, weder durch die Mehrheit noch durch Einzelpersonen oder die Massenmedien. Aber es ist ein Fakt, dass Lautverschiebungen, Bedeutungsübertragungen und -verschiebungen etc. passieren. Und zwar nicht einfach so, sondern daran sind soziale Prozesse beteiligt. Das hat jetzt aber nicht unbedingt was mit der Einführung neuer Wörter zu tun, die werden eben, wie du schreibst, nicht erfunden (ausser in Ausnahmefällen), können aber z. B. als Lehnübersetzungen (auch als falsche, wie z.B. Handy) aus anderen Sprachen übernommen werden. Aber dieses Wort Handy hat ja nicht plötzlich jeder benutzt, es hat sich halt irgendwie durchgesetzt gegen das schwerfälligere Wort Mobiltelefon. Und das das Handy jetzt Handy heisst ist so, weil die meisten Deutsch sprechenden Menschen dieses Wort benutzen, ohne das erst beschlossen haben zu müssen. Allerdings weiss man halt auch nicht warum das Brot Brot heisst, weil es Brot schon länger gibt als schriftliche Aufzeichnungen (man kann den Ursprung aber trotzdem zu irgendwelchen altgermanischen Wortstämmen und sogar bis ins Altgriechische zurückverfolgen, was aber im Vergleich zu dem Zeitraum seit dem überhaupt gesprochen wird ein lächerlich kurzer Zeitraum ist). Eins dürfte klar sein: Brot hiess nicht immer Brot und das es heute so heisst ist auf Bewegungen in verschiedenen Sprachsystemen zurückzuführen. Saussures Auffassung hast du schon richtig dargestellt, er meinte halt, dass die Bedeutung eines Wortes sich dadurch definiert was es nicht bedeutet. Und deshalb gibt es auch keine einzelnen Zeichen, trotzdem kann sich der Bedeutungsinhalt eines Zeichen mit der Zeit (das kann mitunter auch relativ fix gehen) ändern, ohne das sich die anderen Zeichen(-inhalte) die mit diesem Wort verbnden sind auch ändern müssten (Beispiel: Demagoge bedeutet eigentlich Lehrer des Volkes, seit dem Wiener Kongres allerdings Volksverhetzer, trotzdem heisst Demokratie immer noch Herrschaft des Volkes und Pädagoge Lehrer der Kinder). Hinter solchen Veränderungen muss aber nicht immer ein Wille stehen (ausser man unterstellt den sprachlichen Ausdrücken so etwas ähnliches wie einen Wille). Saussure hat wichtige Arbeit geleistet, so ziemlich alle sprachlichen Theorien gehen auf den Strukturalismus zurück, aber seit den ungefähr 100 Jahren in denen strukturalistisch Sprache erforscht wurde, haben sich natürlich einige Ansichten geändert ohne jetzt unbedingt Saussure widersprechen zu müssen. Du hast jetzt öfter versucht darzustellen wie sprachlicher Wandel/sprachliche Richtigkeit NICHT funktioniert, aber wie funktioniert er/sie denn dann deiner Meinung nach?
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Hab ich eben noch vergesen zu sagen: Wörter sind (nach Saussure) nicht einfach Bezeichnungen für Dinge die einfach so vorhanden sind, sondern entwickeln sich mit der Entwicklung dieses Dings (das gilt sowohl für konkrete als auch für abstrakte Dinge). Am Beispiel Brot: Brot war etwas das zustande kommt wenn etwas brodelt, brennt, braut.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
mm schrieb: Trotzdem: Die Arbitrarität ist ja nicht einfach eine willkürliche Entscheidung die ein Sprecher über die Bedeutung eines Ausdrucks fällt, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke ist m. E. immer noch ein sozialer Prozess. Soll heissen, erst wenn mindestens ein anderer Sprecher den Ausdruck ebenfalls in seiner neuen Bedeutung benutzt, beginnt der Ausdruck umdefiniert zu werden (blödes Beispiel aus meiner Teenagerzeit: Eine Zeit lang haben meine Freunde und ich (warum auch immer) Autos als Bogen bezeichnet, das war aber irgendwann wieder vorbei). Genau dieser Beobachtung, nämlich Worte in ihrer Zeichenbedeutung nicht willkürlich austauschen zu können, wollte F. de Saussure auf den Grund gehen. Nicht nur, wurde ihm klar, ist es praktisch unmöglich, durch Beschluss Sprachzeichen im Gesamtgebrauch zu verändern (Bogen/Auto), es ist auch überhaupt noch niemals auf diese Weise ein Zeichen eingeführt worden! (Will sagen: n i e m a n d hat das Wort Brot als Wortzeichen für das bestimmt, was mir mit Brot meinen, und das gilt für alle Worte, die keine termini technici sind.) Im Deutschen gab es mal das Vorhaben, das fehlende Wort für die Sättigung in bezug auf das Trinken einzuführen: Wer genug getruken hat, sei fortan sitt. Trotzdem sagt es keiner, warum wohl nicht? Die oben vorgeschlagene Lösung, dass Veränderungen in der Sprache über soziale Prozesse geschehen, hielt Saussure deshalb für falsch. (Was mit Blick auf die Diktaturen des 20. Jhd.s vielleicht etwas voreilig war, aber die hat er nicht mehr erleben dürfen.) Saussure entdeckte vielmehr, dass es keine e i n z e l n e n Zeichen gibt. Etwas überspitzt gesagt, heißt das Auto Auto und nicht Bogen, weil nämlich der Schmetterling Schmetterling heißt, und nicht Gafolasiduger. Das ist die berühmte Strukur der Sprache (zu der natürlich auch die Grammatik usw. gehört), und ich glaube man kann zeigen, dass auch eine gesamt-geeinte Sprechergemeinschaft keine willentliche Veränderung einer bestimmten Sprachregel durchsetzen kann, wenn dies der Struktur von Sprache zu sehr zuwiderläuft.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Oliver Cosmus schrieb: mm schrieb: Trotzdem: Die Arbitrarität ist ja nicht einfach eine willkürliche Entscheidung die ein Sprecher über die Bedeutung eines Ausdrucks fällt, die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke ist m. E. immer noch ein sozialer Prozess. Soll heissen, erst wenn mindestens ein anderer Sprecher den Ausdruck ebenfalls in seiner neuen Bedeutung benutzt, beginnt der Ausdruck umdefiniert zu werden (blödes Beispiel aus meiner Teenagerzeit: Eine Zeit lang haben meine Freunde und ich (warum auch immer) Autos als Bogen bezeichnet, das war aber irgendwann wieder vorbei). Genau dieser Beobachtung, nämlich Worte in ihrer Zeichenbedeutung nicht willkürlich austauschen zu können, wollte F. de Saussure auf den Grund gehen. Nicht nur, wurde ihm klar, ist es praktisch unmöglich, durch Beschluss Sprachzeichen im Gesamtgebrauch zu verändern (Bogen/Auto), es ist auch überhaupt noch niemals auf diese Weise ein Zeichen eingeführt worden! (Will sagen: n i e m a n d hat das Wort Brot als Wortzeichen für das bestimmt, was mir mit Brot meinen, und das gilt für alle Worte, die keine termini technici sind.) Im Deutschen gab es mal das Vorhaben, das fehlende Wort für die Sättigung in bezug auf das Trinken einzuführen: Wer genug getruken hat, sei fortan sitt. Trotzdem sagt es keiner, warum wohl nicht? Die oben vorgeschlagene Lösung, dass Veränderungen in der Sprache über soziale Prozesse geschehen, hielt Saussure deshalb für falsch. (Was mit Blick auf die Diktaturen des 20. Jhd.s vielleicht etwas voreilig war, aber die hat er nicht mehr erleben dürfen.) ich glaube nicht, dass das ein charakteristikum der diktaturen ist, sondern eben eines der massenmedien. es gibt etliche wörter, die nicht mehr verwendet werden, weil sie als politisch unkorrekt erkannt wurden. und da waren sehr wohl die medien der transporteur. ausserdem fallen mir noch die diversen wörter ein, die ursprünglich produktnamen waren oder noch immer sind: walkman, obi(zumindest in österreich), fön, hoovercraft etc. das sind definitiv gemachte wörter. Saussure entdeckte vielmehr, dass es keine e i n z e l n e n Zeichen gibt. Etwas überspitzt gesagt, heißt das Auto Auto und nicht Bogen, weil nämlich der Schmetterling Schmetterling heißt, und nicht Gafolasiduger. Das ist die berühmte Strukur der Sprache (zu der natürlich auch die Grammatik usw. gehört), und ich glaube man kann zeigen, dass auch eine gesamt-geeinte Sprechergemeinschaft keine willentliche Veränderung einer bestimmten Sprachregel durchsetzen kann, wenn dies der Struktur von Sprache zu sehr zuwiderläuft. diesen absatz versteh ich nicht. best joerg -- http://joerg.piringer.net http://www.transacoustic-research.com http://www.iftaf.org http://www.vegetableorchestra.org/
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
mm [EMAIL PROTECTED] fragte: Ebenso kann es einem ja egal sein, ob eine Sprache ausstirbt, es entstehen ja eh ständig neue. Ich kann mich nur wiederholen: Mit jeder Sprache stirbt eine bestimmte Weltsicht und damit ein Aspekt der Realität. Das ständig neue Sprachen entstehen wage ich zu bezweifeln (vielleicht hast du ja ein paar Beispiele?) 1337 speak lol neu-sprech und 24 andere (pidgins, creolen, etc.), die mir gerade nicht einfallen...
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Zwei Fragen (wobei mich vor allem Antworten auf die zweite interessieren): 1. Wäre es angebracht oder gar begrüßenswert oder aber schäbig und großkotzig, wenn ich Evelyn an dieser Stelle darauf hinweisen würde, dass es RICHTIG Etymologie heißt, und nicht Ethymologie? 2. Ist der folgende Satz, den eine ansprechende Dame vom Saturn geprägt hat, nun (inzwischen?) sprachlich richtig oder falsch: Wir hassen teuer. - Original Message - From: Evelyn Fürlinger [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Sent: Wednesday, January 02, 2008 2:12 PM Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. -Original Message- From: mm [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Date: Tue, 1 Jan 2008 18:35:28 +0100 Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. Viel Spass, ich bin auch noch nicht dahintergekommen. Isländer übrigens, nennen Dativverben (also jemandeM etwas: schenken, geben, sagen) liebe und Akkusativverben (jemandeN: umbringen, vollquatschen, bestehlen) böse Verben, kann ja sein, das es einen ähnlichen Unterschied auch im Deutschen zwischen Genitiv und Dativ gibt... jemanden: beschenken, lieben, bestätigen, pflegen jemandem: eine reinhauen, absagen, etwas unterstellen, zuwiderhandeln - nein, einen systeminhärenten semantischen unterschied gibt es wohl nicht zur gesamten diskussion (linguistisch jetzt, denn philosophie hab ich nicht studiert): ich bin keine freundin der häufig anzutreffenden überbetonung der ethymologie (die sich häufig eh nur als bürgerliches distinktionsgewinnlertum entlarven lässt: das wort XY ist ja eigentlich falsch, denn früher beudeutete das mal Z *gähn*). sprachliche zeichen sind arbiträr und das ist gut so. sie sind zwar ohne kontext mitunter unbedeutend oder uneindeutig aber das macht die sprache flexibel und somit die von jörg eingeforderte vielfalt in wirklichkeit erst möglich. zur hier angedeuteten panik davor, wörter zu verwenden, die die werbung geprägt hat oder die gar die nazizeit hervorgebracht hat: ich finde beides unbedenklich. das wort ansich trägt (siehe oben) keinen kontext mit sich herum. es liegt also durchaus in der definitionsmacht des einzelnen, sich des wortes zu bedienen, ohne sich mit dem gedankengut desjenigen, der es zum ersten mal verwendet hat, zu infizieren - ja, dem wort gar einen gänzlich neuen kontext zu geben und den ursprünglichen vergessen zu machen (it happens every day). ad was ist sprache: subjekt/objekt oder medium? wir wissen es nicht. ich finde jedoch die hypothese des linguistischen darwinismus hierzu äußerst erfrischend, die besagt, dass phoneme parasiten sind, die das menschliche gehirn als wirtstier bevölkern. (um ihr überleben zu sichern sollten sie daher am besten häufig verwendete phoneme einer indoeuropäischen sprache sein - aber das nur am rande)
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
oliver, 1. du hast einen rechtschreibfehler gefunden und darfst ihn behalten *g* - nein, korrektur ist natürlich angebracht und erwünscht 2. richtig oder falsch ist hier die falsche fragestellung. viel interessanter fände ich zu wissen, was wir über eine person, die so etwas sagt, denken? in welchem kontext würden wir so eine formulierung vermuten? warum? im alltäglichen sprachgebrauch ist so einen aussage nicht weiter auffällig, denke ich. im schularbeitsheft eines viertklässlers würde ich sie allerdings anstreichen oder mindestene eine wellenlinie drunter machen und 'stil!' dazu schreiben. -Original Message- From: Oliver Cosmus [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Date: Wed, 2 Jan 2008 14:20:28 +0100 Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. Zwei Fragen (wobei mich vor allem Antworten auf die zweite interessieren): 1. Wäre es angebracht oder gar begrüßenswert oder aber schäbig und großkotzig, wenn ich Evelyn an dieser Stelle darauf hinweisen würde, dass es RICHTIG Etymologie heißt, und nicht Ethymologie? 2. Ist der folgende Satz, den eine ansprechende Dame vom Saturn geprägt hat, nun (inzwischen?) sprachlich richtig oder falsch: Wir hassen teuer. - Original Message - From: Evelyn Fürlinger [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Sent: Wednesday, January 02, 2008 2:12 PM Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. -Original Message- From: mm [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Date: Tue, 1 Jan 2008 18:35:28 +0100 Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. Viel Spass, ich bin auch noch nicht dahintergekommen. Isländer übrigens, nennen Dativverben (also jemandeM etwas: schenken, geben, sagen) liebe und Akkusativverben (jemandeN: umbringen, vollquatschen, bestehlen) böse Verben, kann ja sein, das es einen ähnlichen Unterschied auch im Deutschen zwischen Genitiv und Dativ gibt... jemanden: beschenken, lieben, bestätigen, pflegen jemandem: eine reinhauen, absagen, etwas unterstellen, zuwiderhandeln - nein, einen systeminhärenten semantischen unterschied gibt es wohl nicht zur gesamten diskussion (linguistisch jetzt, denn philosophie hab ich nicht studiert): ich bin keine freundin der häufig anzutreffenden überbetonung der ethymologie (die sich häufig eh nur als bürgerliches distinktionsgewinnlertum entlarven lässt: das wort XY ist ja eigentlich falsch, denn früher beudeutete das mal Z *gähn*). sprachliche zeichen sind arbiträr und das ist gut so. sie sind zwar ohne kontext mitunter unbedeutend oder uneindeutig aber das macht die sprache flexibel und somit die von jörg eingeforderte vielfalt in wirklichkeit erst möglich. zur hier angedeuteten panik davor, wörter zu verwenden, die die werbung geprägt hat oder die gar die nazizeit hervorgebracht hat: ich finde beides unbedenklich. das wort ansich trägt (siehe oben) keinen kontext mit sich herum. es liegt also durchaus in der definitionsmacht des einzelnen, sich des wortes zu bedienen, ohne sich mit dem gedankengut desjenigen, der es zum ersten mal verwendet hat, zu infizieren - ja, dem wort gar einen gänzlich neuen kontext zu geben und den ursprünglichen vergessen zu machen (it happens every day). ad was ist sprache: subjekt/objekt oder medium? wir wissen es nicht. ich finde jedoch die hypothese des linguistischen darwinismus hierzu äußerst erfrischend, die besagt, dass phoneme parasiten sind, die das menschliche gehirn als wirtstier bevölkern. (um ihr überleben zu sichern sollten sie daher am besten häufig verwendete phoneme einer indoeuropäischen sprache sein - aber das nur am rande)
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
ich denke auch, dass diese aussage im alltag nicht besonders auffällig ist und man derartige formulierungen dauernd irgendwo zu hören bekommt. daher finde ich es auch nicht leicht, den kontext festzumachen, in dem ich diese aussage erwarte, oder was ich über eine person die so eine formulierung wählt, denke. mich interessiert allerdings die motivation der redblue werbetexter, die sich ja bestimmt bewusst dafür entschieden haben, wir hassen teuer und nicht etwa wir hassen teures oder wir hassen's teuer zu verwenden. soll es möglichst nahe an der umgangssprache der zielgruppe sein, ist es klanglich ansprechender oder was könnte sonst der grund sein? siehe: http://www.youtube.com/watch?v=sbKSgczsUy8 Evelyn Fürlinger wrote: 2. richtig oder falsch ist hier die falsche fragestellung. viel interessanter fände ich zu wissen, was wir über eine person, die so etwas sagt, denken? in welchem kontext würden wir so eine formulierung vermuten? warum? im alltäglichen sprachgebrauch ist so einen aussage nicht weiter auffällig, denke ich. im schularbeitsheft eines viertklässlers würde ich sie allerdings anstreichen oder mindestene eine wellenlinie drunter machen und 'stil!' dazu schreiben.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Marion Holy schrieb: Viel Spass, ich bin auch noch nicht dahintergekommen. Isländer übrigens, nennen Dativverben (also jemandeM etwas: schenken, geben, sagen) liebe und Akkusativverben (jemandeN: umbringen, vollquatschen, bestehlen) böse Verben, kann ja sein, das es einen ähnlichen Unterschied auch im Deutschen zwischen Genitiv und Dativ gibt... Mein ich auch. (Obwohl ich glaube die adäquate Unterscheidung wäre die Verschiebung zwischen nutzen/nützen, fallen/fällen, futtern/füttern, usw.) Okay, deine Beispiele sind ein bisschen besser, im Isländischen ist die Lage wohl noch etwas eindeutiger (hab ich gehört), leider kann ich kein Isländisch. Welches? Dativ/Genitiv? Kommt meiner Meinung nach auch nicht aus dem Englischen, denn dort gibt es ja keinen Dativ mehr, den Genitiv aber immer noch. Der Dativ. Judith Macheiner meint: Wenn wir uns mal nicht von der Häufigkeit leiten lassen, mit der die verschiedenen Kasus verwendet werden ., dann verspricht besonders der Dativ mit seinen esoterischen Namen aus dem Bereich der Moral und Rechtssprechung interessante Konstellationen. Auch wenn er den Genitiv diesbezüglich vielleicht nur um Nasenlänge übertrifft, verdient er unsere Aufmerksamkeit schon deshalb zuerst, weil er doch ein Verhältnis zum ganzen Satz hat und nicht, wie der Genitiv, der in den meisten Fällen ins Attribut weggepackt ist, nur in Nebenrollen auftritt. So gesehen würde die Verwendung des Dativs die Bedeutung des Besitzenden betonen. Das hört sich doch gut an, müsste ich aber nochmal genauer drüber nachdenken. Auch die Verlängerung ist verdächtig, die Verwendung des Genitivs müsste eigentlich naheliegender sein. Es sei denn wir gehen den umgangssprachlichen Umweg von Dem sein Auto , aber Dativ hin, Dativ her, das halt ich für absurd. Eigentlich wäre die Verwendung des Genitivs echt naheliegender. Aber ich finde man müsste den umgangssprachlichen Umweg (wieso eigentlich Umweg?) nehmen, denn in der Schriftsprache wird der Genitiv ja nach wie vor benutzt. Wir sollten das von nicht unter den Tisch fallen lassen. Genau, wenn ichs mir recht überlege, habe ich den Fehler gemacht das ursprüngliche Problem (von allen monos vs aller monos) auf die einfache Dativ- vs Genitiv-Problematik zu reduzieren, das propositionale von ist hier schon wichtig, zumal es diese Konstruktion, also eine Dativ-Präpositionsgefüge doch im Englischen gibt (from all monos vs garnichts (könnte man das im Englischen irgendwie genitivisch ausdrücken?). Evelyn Fürlinger schrieb: 1337 speak lol neu-sprech und 24 andere (pidgins, creolen, etc.), die mir gerade nicht einfallen... 1337 speak, lol und neu-sprech (spricht das letzte jemand wirklich?) würde ich eher als Dia-/Soziolekte des Englischen sehen, wobei die Unterscheidung zwischen Sprache und Dialekt generell eher schwammig ist, mit den Pidgin- und Creol-Sprachen hast du natürlich recht. A language is a dialect with an army and a navy (Joseph Greenberg oder Uriel Weinreich, je nachdem wem man glaubt) jemanden: beschenken, lieben, bestätigen, pflegen jemandem: eine reinhauen, absagen, etwas unterstellen, zuwiderhandeln Ja klar, aber ich wollte das auch nur mal kurz illustrieren, im Deutschen funktioniert das nicht so richtig, im Isländischen wohl angeblich schon, ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. - nein, einen systeminhärenten semantischen unterschied gibt es wohl nicht Meinst du jetzt im Deutschen zwischen Dativ und Genitiv? ich bin keine freundin der häufig anzutreffenden überbetonung der ethymologie (die sich häufig eh nur als bürgerliches distinktionsgewinnlertum entlarven lässt: das wort XY ist ja eigentlich falsch, denn früher beudeutete das mal Z *gähn*). Wie Jörg schon geschrieben hat, Etymologie ist lustig. Aber nur solange es nicht in Distinktionsgewinnlertum (schönes Wort übrigens, das benutz ich ab jetzt auch) ausartet. sprachliche zeichen sind arbiträr und das ist gut so. sie sind zwar ohne kontext mitunter unbedeutend oder uneindeutig aber das macht die sprache flexibel und somit die von jörg eingeforderte vielfalt in wirklichkeit erst möglich. ich finde beides unbedenklich. das wort ansich trägt (siehe oben) keinen kontext mit sich herum. es liegt also durchaus in der definitionsmacht des einzelnen, sich des wortes zu bedienen, ohne sich mit dem gedankengut desjenigen, der es zum ersten mal verwendet hat, zu infizieren - ja, dem wort gar einen gänzlich neuen kontext zu geben und den ursprünglichen vergessen zu machen (it happens every day). Der ursprüngliche Kontext eines Wortes/einer sprachlichen Konstruktion kann natürlich über die Zeit verloren gehen, und nicht jeder der Gutmensch (wurde auch schon mal hier auf der Liste drüber diskutiert) sagt, ist automatisch eine Nazi (oder wird durch das Benutzen dieses Wortes einer). Trotzdem: Die Arbitrarität ist ja nicht einfach eine willkürliche Entscheidung die ein Sprecher über die
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
auf http://strangemaps.wordpress.com/ heute eine visualisierung/karte zu sprachenvielfalt.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Mache verschlafen uns verkatert das Postfach auf und was finde ich: super Diskussion zu Jahresbeginn. Als manische Leserin aller Der-Dativ-ist-dem-Genitiv-sein-Tod-Bücher weiß ich das zu schätzen ;) Wünsche ebenfalls ein gutes neues Jahr! Maria www.meta-physik.com Original-Nachricht Datum: Tue, 1 Jan 2008 01:34:53 +0100 Von: Oliver Cosmus [EMAIL PROTECTED] An: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Betreff: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. Den beiden Hauptdiskutanten möchte ich zwei kleine Fragezeichen mit auf den Weg geben, wobei es mir vielleicht verziehen werden kann, wenn sich mein Verdacht jederzeit ausgerechnet bevorzugt auf solche Aussagen richtet, die gerade als Selbstverständlichkeiten vorgetragen werden. Zum einen: Sprachlich richtig ist die Konstruktion, die die Mehrheit der Sprecher einer Sprach-Gemeinschaft benutzt. Daß sich Richtigkeit (orthótes) prinzipiell nicht nach Gebrauch und nicht einmal nach Überzeugungen (dóxa) richten kann, hat zuerst Platon im Theaitetos (152e ff.) gezeigt, und zwar so überzeugend, dass dies niemals danach bezweifelt wurde. Das aber liegt wiederum nicht zuletzt auch daran, dass Aristoteles in den sophístikoi elénchoi nachgewiesen hat, dass, wer diesen Zweifel hegen will, dazu die Prämisse der Meinungsunabhängigkeit der Richtigkeit schon braucht und sie damit bereits anerkannt hat. (Es gibt aber ernstgemeinte Argumentationen dagegen bei Cusanus und Nietzsche.) Zum anderen: sprache ist kein subjekt Wenn zugestanden ist, dass es ohne Sprache überhaupt kein Subjekt gibt, dann ist die Sprache sogar das Supersubjekt der Subjektivität als solcher. Jeder Strukturalist würde sagen, dass die Sprache DAS Subjekt ist, jedenfalls in dem Sinne, dass nicht irgendwelche Mächte, Interessen usw. des Menschen die Sprache prägen, sondern nur und ganz allein die Sprache selber. Leider wollen die Strukturalisten aber das Subjekt ganz abschaffen. Wenn ich also von der Sprache als Subjekt spreche, ist das natürlich dummes zeug, oder bestenfalls eine dóxa (siehe oben). Nun kann ich aber noch auf den Begründer der mod. Sprachwissenschaft verweisen, nämlich auf Saussure, der überrascht feststellen musste, dass die Struktur der Sprache in keiner Weise Konventionen (konservativen oder fortschrittlichen) unterworfen werden KANN. Die Sprache ist das Subjekt, das sich selber schafft. Das klingt nun aber doch etwas zu verrückt, um wahr zu sein. Seien wir anti-platonisch und stimmen über die Wahrheit ab. Los Evelyn, Frau Magistra, Du kennst doch Saussure, bitte zustimmen... - Original Message - From: mm [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Sent: Monday, December 31, 2007 8:32 PM Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. joerg piringer schrieb: mm schrieb: Die bekannteste sozio-linguistische Theorie von Sprachveränderung ist die Willem Labovs (ich kann Genitiv) und die geht so: Es gibt zwei Sprechergruppen A und B, die sich beide in ihren Sprechgewohnheiten unterscheiden. Gruppe A verfügt, aus welchen Gründen auch immer) in den Augen von Gruppe B über mehr Prestige (man kann auch sagen Macht). Weil Gruppe B sich nun auch Prestige zulegen will, imitiert sie nun die Sprechgewohnheiten von Gruppe A und verändert so ihr eigenes Sprechverhalten. Diese Veränderungen können von der unterschiedlichen Aussprache eines Phonems bis hin zur Übernahme ganzer grammatikalischer Konstruktionen reichen. Und natürlich ist das eine Ausübung von Macht. Und natürlich sind Werbefuzzis und Massenmedien massiv dafür verantwortlich Sprache zu verhunzen, wenn man eine Sprache den als verhunzbar ansehen will. Und natürlich kann man diesen Bösen Konservativität unterstellen. ich habe den eindruck, die vereinfachungen und vereinheitlichungen passiert im wesentlichen aus ökonomischen überlegungen heraus. und das ist in der kultur immer ein fehler. Nicht jeder sprachliche Wandel ist unbedingt ein Schritt in Richtung Vereinfachung (im Beispiel Dativ vs.Genitiv allerdings schon). Falls du Zeit und Ineresse hast lies einfach mal das erste Kapitel von Labovs (er heisst übrigens William, nicht Willem) Sociolinguistic Patterns. In dem darin untersuchten Sprachwandel bleibt nämlich die Komplexität des Sprachsystems erhalten. und vor allem dann, wenn es um DAS wesentliche kommunikationsmedium geht. Aber dieses Bewahrenwollen von Sprache wie sie zu einem gegebenen Zeitpunkt ist, ist das eigentlich konservative (lat. conservare: bewahren). genau das, glaube ich, ist ein irrtum. so gesehen müsste jede änderung progressiv sein. dann hätten wir also z.b. in den letzten jahren das progressivste fremdenrecht der welt bekommen. Ich hab keine Ahnung vom österreichischen Fremdenrecht, aber bei meiner Argumentation habe ich, völlig fachidiotisch, nur auf Sprache Bezug genommen, deine Analogiebildung ist vielleicht angemessen, aber ich würde nicht so weit
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Oliver Cosmus schrieb: sprache ist kein subjekt Wenn zugestanden ist, dass es ohne Sprache überhaupt kein Subjekt gibt, dann ist die Sprache sogar das Supersubjekt der Subjektivität als solcher. Jeder Strukturalist würde sagen, dass die Sprache DAS Subjekt ist, jedenfalls in dem Sinne, dass nicht irgendwelche Mächte, Interessen usw. des Menschen die Sprache prägen, sondern nur und ganz allein die Sprache selber. Leider wollen die Strukturalisten aber das Subjekt ganz abschaffen. Wenn ich also von der Sprache als Subjekt spreche, ist das natürlich dummes zeug, oder bestenfalls eine dóxa (siehe oben). Nun kann ich aber noch auf den Begründer der mod. Sprachwissenschaft verweisen, nämlich auf Saussure, der überrascht feststellen musste, dass die Struktur der Sprache in keiner Weise Konventionen (konservativen oder fortschrittlichen) unterworfen werden KANN. Die Sprache ist das Subjekt, das sich selber schafft. Das klingt nun aber doch etwas zu verrückt, um wahr zu sein. Seien wir anti-platonisch und stimmen über die Wahrheit ab. Los Evelyn, Frau Magistra, Du kennst doch Saussure, bitte zustimmen... ich glaube ja, dass sprache subjekt und objekt in einem ist, obiger satz war nur eine zuspitzung, um die gemachtheit und beeinflussung sichtbar zu machen. ich habe weder sassure noch labov gelesen, nur selber beobachtungen angestellt. und diverse offene bzw. verdeckte kampffelder innerhalb der sprache entdeckt. angefangen von geschlechtsneutraler schreibung bis zu versuchen von getränkekonzernen neue wörter zu kreieren. ich will nicht sagen, dass alles neue schlecht ist. im gegenteil. aber jeder sollte wissen, was er sagen will und woher der neue ausdruck kommt, den er verwendet und warum. es geht um selbstbestimmung. genausowenig, wie ich von der politik, die diese typen machen bestimmt werden will, möchte ich ihre sprache sprechen: http://youtube.com/watch?v=9XUiLtvKqns best joerg -- http://joerg.piringer.net http://www.transacoustic-research.com http://www.iftaf.org http://www.vegetableorchestra.org/
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
weiss es wirklich nicht, deswegen Frage ich)? Und wonach richtet sich dann Platons Meinung nach die Richtigkeit, nach einer Autorität (in dieser ganzen Diskussion also nach Plato selbst (die Richtigkeit an sich betreffend), Bastian Sick oder der Duden-Redaktion (den richtigen Gebrauch von Sprache betreffend)?), nach Gewohnheit (wäre ja auch eine Art von Gebrauch) oder etwas ganz anderem? Wahr bzw. richtig (das ist in diesem Zusammenhang kein Unterschied) ist nach Platon und Aristoteles (aber nicht nur nach diesen) eine Vorstellung oder eine Aussage, wenn sie mit der in ihr ausgesagten Sache übereinstimmt. Zum Beispiel ist der Satz Der Mond ist aus grünem Käse gemacht genau dann richtig, wenn er tatsächlich aus grünem Käse gemacht ist; andernfalls ist er falsch. Auf unsere Sprachfrage übertragen hieße das: Richtiger Sprachgebrauch muss sich nach der Sprache selbst richten. Man merkt sofort den Haken: Die Sprache selbst ist ja gar nicht strikt vom Sprachgebrauch zu trennen. Trotzdem können wir zwischen falschem und richtigen Sprachgebrauch unterscheiden. Das heißt, dass wir uns dabei doch auf eine Sache beziehen: nämlich den Sprachgebrauch, wie er sein SOLL. Und wer legt das wiederum fest? Ich glaube, die Diskussion von joerg und mm dreht sich um diese Frage. Platon und Aristoteles meinten jedenfalls, dass dies nicht an eine Mehrheitsentscheidung gebunden werden KANN, weil ich damit das normative Kriterium wahr/falsch überhaupt aufgebe: es gibt dann keinen richtigen Sprachgebrauch mehr und infolgedessen - über kurz oder lang - überhaupt keinen Sprachgebrauch (denn dieser muss Regeln enthalten). Noch zu Joerg: Gute Idee von Dir: die Sprache ist Subjekt und Objekt zugleich. Vielleicht ist sie aber sogar noch etwas anderes, nämlich das Medium/die Dimension, IN DEM sich solche Unterschiede, wie der zwischen Subjekt und Objekt überhaupt erst treffen lassen.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Oliver Cosmus schrieb: weiss es wirklich nicht, deswegen Frage ich)? Und wonach richtet sich dann Platons Meinung nach die Richtigkeit, nach einer Autorität (in dieser ganzen Diskussion also nach Plato selbst (die Richtigkeit an sich betreffend), Bastian Sick oder der Duden-Redaktion (den richtigen Gebrauch von Sprache betreffend)?), nach Gewohnheit (wäre ja auch eine Art von Gebrauch) oder etwas ganz anderem? Wahr bzw. richtig (das ist in diesem Zusammenhang kein Unterschied) ist nach Platon und Aristoteles (aber nicht nur nach diesen) eine Vorstellung oder eine Aussage, wenn sie mit der in ihr ausgesagten Sache übereinstimmt. Zum Beispiel ist der Satz Der Mond ist aus grünem Käse gemacht genau dann richtig, wenn er tatsächlich aus grünem Käse gemacht ist; andernfalls ist er falsch. Auf unsere Sprachfrage übertragen hieße das: Richtiger Sprachgebrauch muss sich nach der Sprache selbst richten. Man merkt sofort den Haken: Die Sprache selbst ist ja gar nicht strikt vom Sprachgebrauch zu trennen. Trotzdem können wir zwischen falschem und richtigen Sprachgebrauch unterscheiden. Das heißt, dass wir uns dabei doch auf eine Sache beziehen: nämlich den Sprachgebrauch, wie er sein SOLL. Und wer legt das wiederum fest? Ich glaube, die Diskussion von joerg und mm dreht sich um diese Frage. Platon und Aristoteles meinten jedenfalls, dass dies nicht an eine Mehrheitsentscheidung gebunden werden KANN, weil ich damit das normative Kriterium wahr/falsch überhaupt aufgebe: es gibt dann keinen richtigen Sprachgebrauch mehr und infolgedessen - über kurz oder lang - überhaupt keinen Sprachgebrauch (denn dieser muss Regeln enthalten). Wenn Platon und Aristoteles (deren Autorität ich in meiner jugendlichen Unbekümmertheit einfach mal anzweifeln möchte) davon ausgehen, das Richtigkeit nicht an eine Mehrheitsentscheidung gebunden werden kann, weil ich dann das Begriffspaar richtig/falsch aufgeben muss, dann tun wir das doch einfach mal, nur mal so for the sake of argument (Entschuldigung, Sprachschützer, aber dafür gibt's einfach kein unholpriges deutschsprachiges Äquivalent). Ich habe zwar nicht besonders viel Ahnung von Systemtheorie, aber eine ihrer Aussagen über Sprache ist die, dass Sprache [ein] wahrheitsindifferentes Vehikel der Kommunikation [ist] (http://www.humboldtgesellschaft.de/inhalt.php?name=luhmann#A.). Für mich bedeutet das, dass es beim Sprechen kein richtig oder falsch gibt, jedenfalls keines das von irgendwem als solches bezeichnet werden könnte. Vielmehr organisierte sich das System Sprache dann durch Benutzung selbst. Aber das sich jemand anmasst, Sprachverhalten zu bestimmen, würde dann eben auch fest zu diesem System gehören (und die Sprachkritik ist ja keine neue Erscheinung, vielmehr eine der Auswirkungen eines Denkens in Begriffspaaren (von dem kein Mensch so richtig frei ist).). Wenn es aber nun kein richtig/falsch (in Bezug auf Sprache) mehr gäbe, würde das dann folglich bedeuten, dass es dann (wie Oliver schreibt) keinen richtigen Sprachgebrauch mehr und infolgedessen - über kurz oder lang - überhaupt keinen Sprachgebrauch (denn dieser muss Regeln enthalten) gäbe? Das würde ich doch sehr bezweifeln wollen. Du, Oliver, hast auch öfter das Wort Mehrheitsbeschluss benutzt, um meine Aussage Sprachlich richtig ist die Konstruktion, die die Mehrheit der Sprecher einer Sprach-Gemeinschaft benutzt zusammenzufassen, das ist aber meiner Meinung nach falsch, denn über Sprechweisen wird ja nicht abgestimmt (ausser die GfdS hat ihre Finger im Spiel), vielmehr organisiert sich diese angenommene Richtigkeit selbst und verändert sich ständig, so dass man eigentlich ein bestimmtes sprachliches Phänomen, z.B. das ursprüngliche Dativ vs. Genitiv-Beispiel, zu keinem gegebenen Zeitpunkt als richtig oder falsch bezeichnen kann. Marion Holy schrieb: Auch meines Erachtens wird die Neu-/Erstverwendung von Begriffen oder grammatikalischen Wendungen in starker Mehrzahl zuerst medial transportiert. Du sprichst von transportieren, aber das ist nun mal eine Funktion von (Massen-)Medien, das heisst aber noch lange nicht, dass die sprachliche Veränderung dort ihren Ursprung nimmt. Ebenso kann es einem ja egal sein, ob eine Sprache ausstirbt, es entstehen ja eh ständig neue. Ich kann mich nur wiederholen: Mit jeder Sprache stirbt eine bestimmte Weltsicht und damit ein Aspekt der Realität. Das ständig neue Sprachen entstehen wage ich zu bezweifeln (vielleicht hast du ja ein paar Beispiele?) Darüber, was es aussagt, Besitzanzeige durch Verwendung des Genitivs oder von+Dativ zu bedeuten, muss ich nachdenken. Viel Spass, ich bin auch noch nicht dahintergekommen. Isländer übrigens, nennen Dativverben (also jemandeM etwas: schenken, geben, sagen) liebe und Akkusativverben (jemandeN: umbringen, vollquatschen, bestehlen) böse Verben, kann ja sein, das es einen ähnlichen Unterschied auch im Deutschen zwischen Genitiv und Dativ gibt... Besprochenes
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Viel Spass, ich bin auch noch nicht dahintergekommen. Isländer übrigens, nennen Dativverben (also jemandeM etwas: schenken, geben, sagen) liebe und Akkusativverben (jemandeN: umbringen, vollquatschen, bestehlen) böse Verben, kann ja sein, das es einen ähnlichen Unterschied auch im Deutschen zwischen Genitiv und Dativ gibt... Mein ich auch. (Obwohl ich glaube die adäquate Unterscheidung wäre die Verschiebung zwischen nutzen/nützen, fallen/fällen, futtern/füttern, usw.) Welches? Dativ/Genitiv? Kommt meiner Meinung nach auch nicht aus dem Englischen, denn dort gibt es ja keinen Dativ mehr, den Genitiv aber immer noch. Der Dativ. Judith Macheiner meint: Wenn wir uns mal nicht von der Häufigkeit leiten lassen, mit der die verschiedenen Kasus verwendet werden ., dann verspricht besonders der Dativ mit seinen esoterischen Namen aus dem Bereich der Moral und Rechtssprechung interessante Konstellationen. Auch wenn er den Genitiv diesbezüglich vielleicht nur um Nasenlänge übertrifft, verdient er unsere Aufmerksamkeit schon deshalb zuerst, weil er doch ein Verhältnis zum ganzen Satz hat und nicht, wie der Genitiv, der in den meisten Fällen ins Attribut weggepackt ist, nur in Nebenrollen auftritt. So gesehen würde die Verwendung des Dativs die Bedeutung des Besitzenden betonen. Auch die Verlängerung ist verdächtig, die Verwendung des Genitivs müsste eigentlich naheliegender sein. Es sei denn wir gehen den umgangssprachlichen Umweg von Dem sein Auto , aber Dativ hin, Dativ her, das halt ich für absurd. Wir sollten das von nicht unter den Tisch fallen lassen. Massenmedien und Aussterben fehlt, bis morgen Abend
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Viel Spass, ich bin auch noch nicht dahintergekommen. Isländer übrigens, nennen Dativverben (also jemandeM etwas: schenken, geben, sagen) liebe und Akkusativverben (jemandeN: umbringen, vollquatschen, bestehlen) böse Verben, kann ja sein, das es einen ähnlichen Unterschied auch im Deutschen zwischen Genitiv und Dativ gibt... Mein ich auch. (Obwohl ich glaube die adäquate Unterscheidung wäre die Verschiebung zwischen nutzen/nützen, fallen/fällen, futtern/füttern, usw.) Welches? Dativ/Genitiv? Kommt meiner Meinung nach auch nicht aus dem Englischen, denn dort gibt es ja keinen Dativ mehr, den Genitiv aber immer noch. Der Dativ. Judith Macheiner meint: Wenn wir uns mal nicht von der Häufigkeit leiten lassen, mit der die verschiedenen Kasus verwendet werden ., dann verspricht besonders der Dativ mit seinen esoterischen Namen aus dem Bereich der Moral und Rechtssprechung interessante Konstellationen. Auch wenn er den Genitiv diesbezüglich vielleicht nur um Nasenlänge übertrifft, verdient er unsere Aufmerksamkeit schon deshalb zuerst, weil er doch ein Verhältnis zum ganzen Satz hat und nicht, wie der Genitiv, der in den meisten Fällen ins Attribut weggepackt ist, nur in Nebenrollen auftritt. So gesehen würde die Verwendung des Dativs die Bedeutung des Besitzenden betonen. Auch die Verlängerung ist verdächtig, die Verwendung des Genitivs müsste eigentlich naheliegender sein. Es sei denn wir gehen den umgangssprachlichen Umweg von Dem sein Auto , aber Dativ hin, Dativ her, das halt ich für absurd. Wir sollten das von nicht unter den Tisch fallen lassen. Massenmedien und Aussterben fehlt, bis morgen Abend Jo e.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Zur bildungsbürgerlich abgeklärten Anwendung auf dem Silvesterfest: Der Gute Rutsch kommt aus dem Jiddischen a gut Rosch. Rosch ist aber aus dem Hebräischen Rosch Ha Schana (Anfang des Jahres) und a gut Rosch bedeutet somit Ein gutes Jahr. (www.etymologie.info) Ein guter Rutsch ins neue Jahr ist somit eine Tautologie. Also: a gut Rosch, allerseits! /wir sind die menschen auf den wiesen/ /bald sind wir menschen unter den wiesen/ /und werden wiesen, und werden wald/ /das wird ein heiterer landaufenthalt/ (ernst jandl) ab Franz Ablinger schrieb: Im Namen von allen monos darf ich der gesamten bagasch einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen. Ich tue dies mit dem Text des Walzers An der schönen blauen Donau von Josef Weyl, Vereinsdichter des Wiener Männergesangsvereins. Ursprünglich als Faschingslied anlässlich der Einweihung der Gas-Strassenbeleuchtung in Wien geschrieben, dann für den allgemeinen Gebrauch modifiziert. Erst 23 Jahre später unterlegte Dr. Franz von Gerneth dem Walzer den bekannten Text Donau so blau. fra q: http://ingeb.org/Lieder/donausob.html - Josef Weyl, 1867 Wiener seid froh Oho, wieso No so blickt nur um! I bitt', warum? Ein Schimmer des Lichts Wir seh'n noch nichts. Ei, Fasching ist da! Ah so, na ja! Drum trotzet der Zeit Der Trübseligkeit. Ah! Das wär g'scheidt! Was nützt das Bedauern Das Trauern Drum froh und lustig seid. |: Ehrt das Faschingsrecht, Wenn auch noch so schlecht Die Finanzen, Laßt uns tanzen; Heut zu Tage schwitzt Wer im Zimmer sitzt, G'rad so wie der Tänzer-Schwall Auf'n Ball. :| |: Der Bauer kratzt sich sehr, Daß die Zeiten gar so schwer, Nimmt sich an Rand mit G'walt Zum Steueramt rennt er halt Hin und zahlt. : | Das Geld ist jetzt hin, das is g'wiß Das geb'ns nit mehr heraus, So weil jetzt der Fasching g'rad is, Ist Ball im G'moanwirtshaus; S'gibt saubre Diarndl'n noch An G'strampften tanzen wir doch Wann uns das Geld auch fehlt. Es hat ja fast d'ganze Welt Kein Geld! Ein dicker Hausherr, der ärgert sich sehr, Es steh'n im Haus alle Wohnungen leer, S'macht nix, er geht trotz seiner Gall Halt doch auf'n Maskenball. Fehl'n auch sechs Zinsparteien G'steigert wern d'Andern halt Morg'n zieht a Künstler ein, Der aber g'wiß nix zahlt, Pfänd't man, ist's ärgerlich, D'Leut hab'n nix hint und vorn So denkt der Hausherr sich Und tanzt voll Zorn. Der Künstler fühlt in der Grazien Näh' Wohl sich und weh Wie's Fischlein im See Verkörpert sieht er im heitersten Strahl Sein längst schon geträumtes Ideal Er ist's, dem die Musen die Stirne geküßt, S'Leben versüßt, Den die Schönheit begrüßt Wo Freude und Liebe erblühen im Keim, Fühlt sich der Künstler daheim. Rasch im Schwung, Frisch und jung Kündet meisterlich Jeder Künstler sich, Drum mit Recht steht die Kunst Bei den Damen in so hoher Gunst. Selbst die politischen, kritischen Herr'n Drehen weise im Kreise sich gern, Wenn auch scheinbar bewegend sich keck, Kommen sie doch niemals vom Fleck, Wie sie so walzen, versalzen sie meist Trotz der Mühen die Brühen im Geist Wie's auch Noten schreib'n noch so so exakt Kommen's leider Gott stets aus dem Takt. D'rum nur zu Tanzt ohne Rast und Ruh', Nützet den Augenblick, Denn sein Glück Kehrt nicht zurück. Nützt in Eil' Das was Euch heut zu Theil, Denn die Zeit entflieht Und die Rose der Freude verblüht. D'rum tanzt, ja tanzt, ja tanzt.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Bildung gegen das Bürgertum: Wenn die Dativ-Präpositionalkonstruktion den Genitiv dahinmetzelt sind noch lange nicht die bösen Anglos schuld. Und selbst wenn: Sprache verändert sich nunmal, egal ob man das gut oder schlecht findet. Sprachlich richtig ist die Konstruktion, die die Mehrheit der Sprecher einer Sprach-Gemeinschaft benutzt. Und wer lieber den Dativ benutzt, dem fehlt es trotzdem nicht an der Kompetenz den Genitiv zu bilden. Gute Besserung, Manuel Oliver Cosmus schrieb: Bildungsbürgergut Teil II: Die Formulierung Im Namen von allen monos ist als Präpositionalkonstruktion ein typisches Beispiel für die fortschreitende Anglisierung. Wer dagegen die Kasus noch beherrscht, mag sich vielleicht lieber im Namen aller monos präsentieren. - Original Message - From: Franz Ablinger [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Sent: Monday, December 31, 2007 12:29 PM Subject: [monochrom] einen guten Rutsch. Im Namen von allen monos darf ich der gesamten bagasch einen guten Rutsch ins neue Jahr wünschen. Ich tue dies mit dem Text des Walzers An der schönen blauen Donau von Josef Weyl, Vereinsdichter des Wiener Männergesangsvereins. Ursprünglich als Faschingslied anlässlich der Einweihung der Gas-Strassenbeleuchtung in Wien geschrieben, dann für den allgemeinen Gebrauch modifiziert. Erst 23 Jahre später unterlegte Dr. Franz von Gerneth dem Walzer den bekannten Text Donau so blau. fra q: http://ingeb.org/Lieder/donausob.html - Josef Weyl, 1867 Wiener seid froh Oho, wieso No so blickt nur um! I bitt', warum? Ein Schimmer des Lichts Wir seh'n noch nichts. Ei, Fasching ist da! Ah so, na ja! Drum trotzet der Zeit Der Trübseligkeit. Ah! Das wär g'scheidt! Was nützt das Bedauern Das Trauern Drum froh und lustig seid. |: Ehrt das Faschingsrecht, Wenn auch noch so schlecht Die Finanzen, Laßt uns tanzen; Heut zu Tage schwitzt Wer im Zimmer sitzt, G'rad so wie der Tänzer-Schwall Auf'n Ball. :| |: Der Bauer kratzt sich sehr, Daß die Zeiten gar so schwer, Nimmt sich an Rand mit G'walt Zum Steueramt rennt er halt Hin und zahlt. : | Das Geld ist jetzt hin, das is g'wiß Das geb'ns nit mehr heraus, So weil jetzt der Fasching g'rad is, Ist Ball im G'moanwirtshaus; S'gibt saubre Diarndl'n noch An G'strampften tanzen wir doch Wann uns das Geld auch fehlt. Es hat ja fast d'ganze Welt Kein Geld! Ein dicker Hausherr, der ärgert sich sehr, Es steh'n im Haus alle Wohnungen leer, S'macht nix, er geht trotz seiner Gall Halt doch auf'n Maskenball. Fehl'n auch sechs Zinsparteien G'steigert wern d'Andern halt Morg'n zieht a Künstler ein, Der aber g'wiß nix zahlt, Pfänd't man, ist's ärgerlich, D'Leut hab'n nix hint und vorn So denkt der Hausherr sich Und tanzt voll Zorn. Der Künstler fühlt in der Grazien Näh' Wohl sich und weh Wie's Fischlein im See Verkörpert sieht er im heitersten Strahl Sein längst schon geträumtes Ideal Er ist's, dem die Musen die Stirne geküßt, S'Leben versüßt, Den die Schönheit begrüßt Wo Freude und Liebe erblühen im Keim, Fühlt sich der Künstler daheim. Rasch im Schwung, Frisch und jung Kündet meisterlich Jeder Künstler sich, Drum mit Recht steht die Kunst Bei den Damen in so hoher Gunst. Selbst die politischen, kritischen Herr'n Drehen weise im Kreise sich gern, Wenn auch scheinbar bewegend sich keck, Kommen sie doch niemals vom Fleck, Wie sie so walzen, versalzen sie meist Trotz der Mühen die Brühen im Geist Wie's auch Noten schreib'n noch so so exakt Kommen's leider Gott stets aus dem Takt. D'rum nur zu Tanzt ohne Rast und Ruh', Nützet den Augenblick, Denn sein Glück Kehrt nicht zurück. Nützt in Eil' Das was Euch heut zu Theil, Denn die Zeit entflieht Und die Rose der Freude verblüht. D'rum tanzt, ja tanzt, ja tanzt.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Du, Jörg, hast, zumindest teilweise, Recht. Die Formulierung Sprache ändert sich war wohl etwas unglücklich von mir gewählt, denn natürlich wird sie verändert und ändert sich nicht aus sich Selbst heraus. Und diese Veränderungen sind natürlich eine Auswirkung von Machtausübungen. Aber ich finde es extrem kurzsichtig von dir die Medien (ich nehme an du meinst die Massenmedien, denn Sprache selbst ist ja auch ein Medium) und Werbetexter als einzige Anwender dieser Macht darzustellen. Die bekannteste sozio-linguistische Theorie von Sprachveränderung ist die Willem Labovs (ich kann Genitiv) und die geht so: Es gibt zwei Sprechergruppen A und B, die sich beide in ihren Sprechgewohnheiten unterscheiden. Gruppe A verfügt, aus welchen Gründen auch immer) in den Augen von Gruppe B über mehr Prestige (man kann auch sagen Macht). Weil Gruppe B sich nun auch Prestige zulegen will, imitiert sie nun die Sprechgewohnheiten von Gruppe A und verändert so ihr eigenes Sprechverhalten. Diese Veränderungen können von der unterschiedlichen Aussprache eines Phonems bis hin zur Übernahme ganzer grammatikalischer Konstruktionen reichen. Und natürlich ist das eine Ausübung von Macht. Und natürlich sind Werbefuzzis und Massenmedien massiv dafür verantwortlich Sprache zu verhunzen, wenn man eine Sprache den als verhunzbar ansehen will. Und natürlich kann man diesen Bösen Konservativität unterstellen. Aber dieses Bewahrenwollen von Sprache wie sie zu einem gegebenen Zeitpunkt ist, ist das eigentlich konservative (lat. conservare: bewahren). Ausserdem, wenn eine Sprache an grammatikalischer Komplexität abnimmt, heisst das noch lange nicht, dass deren Benutzer dadurch geistig ärmer werden. Ein gutes Beispiel ist hier das Englische, das nur noch zwei Kasus (Nominativ und Genitiv) hat (der Dativ ging irgendwann verloren, was mit den eventuellen anderen Kasus passiert ist weiss ich nicht). Doch was das Englische an grammatikalischer Komplexität verloren hat wird dadurch wettgemacht, das es über viel mehr Wörter als jetzt z.B. das Deutsche verfügt und deshalb auf Englisch z.B. Grade von Bedeutung viel feiner bestimmt werden können. Komplexität besteht nämlich nicht nur auf einer Ebene eines Sprachsystems. Du aber, Oliver, versuchst dich jetzt mit dem Argument Ironie (lass dir mal was besseres einfallen) und dummen Hitlervergleichen rauszuwinden (ich finde es jetzt irgendwie überflüssig hier Godwin's Law anzuführen, tue es aber trotzdem). Saisonale Grüsse, Manuel joerg piringer schrieb: sprache ändert sich nicht. denn sprache ist kein subjekt. die frage ist nur, wer dann die sprache verändert. das ist in vielen fällen eine frage von macht. und die haben die medien und werbetexter. dass die nicht die grossen sprachschöpfer und auf keinen fall revolutionäre oder antibürgerliche sind wissen wir schon länger. im gegenteil: die simplifizierung der sprache entzieht uns ein wichtiges denkwerkzeug arbeitet also eher für die sache der konservativen. 'When I use a word,' Humpty Dumpty said, in rather a scornful tone, 'it means just what I choose it to mean - neither more nor less.' 'The question is,' said Alice, 'whether you can make words mean so many different things.' 'The question is,' said Humpty Dumpty, 'which is to be master - that's all.' (lewis carrol) Gute Besserung, für mehr komplexität. jörg
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
ich kann Genitiv alors mon ami, das kannst Du aber sicher auch noch besser.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Trotzdem bietet die deutsche Sprache demjenigen, der ihre Grammatik besser beherscht, Mittel um sich präziser auszudrücken. Das auch ein größeres Vokabular größere Präzision ermöglicht, ist logisch, aber kein Argument für grammatikalisch zu vereinfachen. lg alex mm wrote: Aber dieses Bewahrenwollen von Sprache wie sie zu einem gegebenen Zeitpunkt ist, ist das eigentlich konservative (lat. conservare: bewahren). Ausserdem, wenn eine Sprache an grammatikalischer Komplexität abnimmt, heisst das noch lange nicht, dass deren Benutzer dadurch geistig ärmer werden. Ein gutes Beispiel ist hier das Englische, das nur noch zwei Kasus (Nominativ und Genitiv) hat (der Dativ ging irgendwann verloren, was mit den eventuellen anderen Kasus passiert ist weiss ich nicht). Doch was das Englische an grammatikalischer Komplexität verloren hat wird dadurch wettgemacht, das es über viel mehr Wörter als jetzt z.B. das Deutsche verfügt und deshalb auf Englisch z.B. Grade von Bedeutung viel feiner bestimmt werden können. Komplexität besteht nämlich nicht nur auf einer Ebene eines Sprachsystems.
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
mm schrieb: Die bekannteste sozio-linguistische Theorie von Sprachveränderung ist die Willem Labovs (ich kann Genitiv) und die geht so: Es gibt zwei Sprechergruppen A und B, die sich beide in ihren Sprechgewohnheiten unterscheiden. Gruppe A verfügt, aus welchen Gründen auch immer) in den Augen von Gruppe B über mehr Prestige (man kann auch sagen Macht). Weil Gruppe B sich nun auch Prestige zulegen will, imitiert sie nun die Sprechgewohnheiten von Gruppe A und verändert so ihr eigenes Sprechverhalten. Diese Veränderungen können von der unterschiedlichen Aussprache eines Phonems bis hin zur Übernahme ganzer grammatikalischer Konstruktionen reichen. Und natürlich ist das eine Ausübung von Macht. Und natürlich sind Werbefuzzis und Massenmedien massiv dafür verantwortlich Sprache zu verhunzen, wenn man eine Sprache den als verhunzbar ansehen will. Und natürlich kann man diesen Bösen Konservativität unterstellen. ich habe den eindruck, die vereinfachungen und vereinheitlichungen passiert im wesentlichen aus ökonomischen überlegungen heraus. und das ist in der kultur immer ein fehler. und vor allem dann, wenn es um DAS wesentliche kommunikationsmedium geht. Aber dieses Bewahrenwollen von Sprache wie sie zu einem gegebenen Zeitpunkt ist, ist das eigentlich konservative (lat. conservare: bewahren). genau das, glaube ich, ist ein irrtum. so gesehen müsste jede änderung progressiv sein. dann hätten wir also z.b. in den letzten jahren das progressivste fremdenrecht der welt bekommen. Ausserdem, wenn eine Sprache an grammatikalischer Komplexität abnimmt, heisst das noch lange nicht, dass deren Benutzer dadurch geistig ärmer werden. Ein gutes Beispiel ist hier das Englische, das nur noch zwei Kasus (Nominativ und Genitiv) hat (der Dativ ging irgendwann verloren, was mit den eventuellen anderen Kasus passiert ist weiss ich nicht). Doch was das Englische an grammatikalischer Komplexität verloren hat wird dadurch wettgemacht, das es über viel mehr Wörter als jetzt z.B. das Deutsche verfügt und deshalb auf Englisch z.B. Grade von Bedeutung viel feiner bestimmt werden können. Komplexität besteht nämlich nicht nur auf einer Ebene eines Sprachsystems. klingt schön in der theorie, mir fällt aber kein beispiel aus der neueren geschichte ein, wo das der fall gewesen wäre. vielleicht ist aber vielfalt auch ein besseres wort als komplexität, denn darum gehts mir eigentlich. Saisonale Grüsse, was soll das eigentlich bedeuten? joerg -- http://joerg.piringer.net http://www.transacoustic-research.com http://www.iftaf.org http://www.vegetableorchestra.org/
Re: [monochrom] einen guten Rutsch.
Den beiden Hauptdiskutanten möchte ich zwei kleine Fragezeichen mit auf den Weg geben, wobei es mir vielleicht verziehen werden kann, wenn sich mein Verdacht jederzeit ausgerechnet bevorzugt auf solche Aussagen richtet, die gerade als Selbstverständlichkeiten vorgetragen werden. Zum einen: Sprachlich richtig ist die Konstruktion, die die Mehrheit der Sprecher einer Sprach-Gemeinschaft benutzt. Daß sich Richtigkeit (orthótes) prinzipiell nicht nach Gebrauch und nicht einmal nach Überzeugungen (dóxa) richten kann, hat zuerst Platon im Theaitetos (152e ff.) gezeigt, und zwar so überzeugend, dass dies niemals danach bezweifelt wurde. Das aber liegt wiederum nicht zuletzt auch daran, dass Aristoteles in den sophístikoi elénchoi nachgewiesen hat, dass, wer diesen Zweifel hegen will, dazu die Prämisse der Meinungsunabhängigkeit der Richtigkeit schon braucht und sie damit bereits anerkannt hat. (Es gibt aber ernstgemeinte Argumentationen dagegen bei Cusanus und Nietzsche.) Zum anderen: sprache ist kein subjekt Wenn zugestanden ist, dass es ohne Sprache überhaupt kein Subjekt gibt, dann ist die Sprache sogar das Supersubjekt der Subjektivität als solcher. Jeder Strukturalist würde sagen, dass die Sprache DAS Subjekt ist, jedenfalls in dem Sinne, dass nicht irgendwelche Mächte, Interessen usw. des Menschen die Sprache prägen, sondern nur und ganz allein die Sprache selber. Leider wollen die Strukturalisten aber das Subjekt ganz abschaffen. Wenn ich also von der Sprache als Subjekt spreche, ist das natürlich dummes zeug, oder bestenfalls eine dóxa (siehe oben). Nun kann ich aber noch auf den Begründer der mod. Sprachwissenschaft verweisen, nämlich auf Saussure, der überrascht feststellen musste, dass die Struktur der Sprache in keiner Weise Konventionen (konservativen oder fortschrittlichen) unterworfen werden KANN. Die Sprache ist das Subjekt, das sich selber schafft. Das klingt nun aber doch etwas zu verrückt, um wahr zu sein. Seien wir anti-platonisch und stimmen über die Wahrheit ab. Los Evelyn, Frau Magistra, Du kennst doch Saussure, bitte zustimmen... - Original Message - From: mm [EMAIL PROTECTED] To: BAGASCH@LISTS.MONOCHROM.AT Sent: Monday, December 31, 2007 8:32 PM Subject: Re: [monochrom] einen guten Rutsch. joerg piringer schrieb: mm schrieb: Die bekannteste sozio-linguistische Theorie von Sprachveränderung ist die Willem Labovs (ich kann Genitiv) und die geht so: Es gibt zwei Sprechergruppen A und B, die sich beide in ihren Sprechgewohnheiten unterscheiden. Gruppe A verfügt, aus welchen Gründen auch immer) in den Augen von Gruppe B über mehr Prestige (man kann auch sagen Macht). Weil Gruppe B sich nun auch Prestige zulegen will, imitiert sie nun die Sprechgewohnheiten von Gruppe A und verändert so ihr eigenes Sprechverhalten. Diese Veränderungen können von der unterschiedlichen Aussprache eines Phonems bis hin zur Übernahme ganzer grammatikalischer Konstruktionen reichen. Und natürlich ist das eine Ausübung von Macht. Und natürlich sind Werbefuzzis und Massenmedien massiv dafür verantwortlich Sprache zu verhunzen, wenn man eine Sprache den als verhunzbar ansehen will. Und natürlich kann man diesen Bösen Konservativität unterstellen. ich habe den eindruck, die vereinfachungen und vereinheitlichungen passiert im wesentlichen aus ökonomischen überlegungen heraus. und das ist in der kultur immer ein fehler. Nicht jeder sprachliche Wandel ist unbedingt ein Schritt in Richtung Vereinfachung (im Beispiel Dativ vs.Genitiv allerdings schon). Falls du Zeit und Ineresse hast lies einfach mal das erste Kapitel von Labovs (er heisst übrigens William, nicht Willem) Sociolinguistic Patterns. In dem darin untersuchten Sprachwandel bleibt nämlich die Komplexität des Sprachsystems erhalten. und vor allem dann, wenn es um DAS wesentliche kommunikationsmedium geht. Aber dieses Bewahrenwollen von Sprache wie sie zu einem gegebenen Zeitpunkt ist, ist das eigentlich konservative (lat. conservare: bewahren). genau das, glaube ich, ist ein irrtum. so gesehen müsste jede änderung progressiv sein. dann hätten wir also z.b. in den letzten jahren das progressivste fremdenrecht der welt bekommen. Ich hab keine Ahnung vom österreichischen Fremdenrecht, aber bei meiner Argumentation habe ich, völlig fachidiotisch, nur auf Sprache Bezug genommen, deine Analogiebildung ist vielleicht angemessen, aber ich würde nicht so weit gehen wollen jede Veränderung, ausserhalb von Sprache, als progressiv zu bezeichnen, nur weil sie eine Veränderung ist Ausserdem, wenn eine Sprache an grammatikalischer Komplexität abnimmt, heisst das noch lange nicht, dass deren Benutzer dadurch geistig ärmer werden. Ein gutes Beispiel ist hier das Englische, das nur noch zwei Kasus (Nominativ und Genitiv) hat (der Dativ ging irgendwann verloren, was mit den eventuellen anderen Kasus passiert ist weiss ich nicht). Doch was das Englische an grammatikalischer Komplexität verloren hat wird dadurch wettgemacht, das es über viel mehr